Wir, die Gruppe der AG „die Shoa erinnern und reflektieren“ an der Evangelischen IGS Wunstorf schreiben anlässlich der Studienfahrt einen Bericht zur Reflektion.
Zur Vorbereitung trafen wir uns jede zweite Woche. Unter Anderem erhielten wir von unserer AG-Leitung einen Reader und ein Infoheft zu den einzelnen Stationen der Fahrt. Zentrale Elemente unserer Vorbereitung waren: Leben und Wirken Oskar Schindlers, Ideologien und Denkweisen des Nationalsozialismus, Täter*innenschaft und die Wahrnehmung der Shoa, insbesondere des Alltagslebens in Zeitzeug*innenberichten. Darüber hinaus setzten wir uns mit der Bedeutung der Erinnerung an die Shoa heute auseinander. Dazu nahmen wir an einem Fotoprojekt in Wunstorf teil.
Am Sonntag, den 19.06.2022, ging es dann endlich los. Wir fuhren mit dem Bus zunächst nach Oswiechiem. Nach 12 Stunden Fahrt konnten wir unser Hotel am Stadtrand von Oswiechiem beziehen. Am Mittag des ersten Tages besuchten wir das Denkmal Monowitz. In dem ehemaligen Lagerkomplex mit Chemikalienfabrik, welche heutzutage zum Teil wieder in Benutzung ist, fanden wir ein nur zum Teil intaktes Denkmal. Das fanden wir sehr schade, da dieses Geände an sich eine Erinnerung an Leid und Trauma ist, welches nicht einfach überbaut werden sollte. Denn wird ein Denkmal überbaut, wird auch die Erinnerung an die Ereignisse für die das Denkmal steht verherrlicht und vergessen.
Zum Abschluss des ersten Tages erkundeten wir die Stadt Oswieciem anhand einer Ralley. Der Fokus lag hier darauf, zu beobachten, wie die polnische Bevölkerung an diesem Ort lebt. Es gibt vereinzelt Anzeichen auf jüdisches Leben. Wie zum Beispiel der jüdische Friedhof, welcher nicht weit von unserem Hotel entfernt war. Jedoch geht die Bevölkerung heute eher nicht auf die Shoa ein. Sie scheinen ihr Leben zu leben ohne stark auf Jüdinnen und Juden zu achten. Dabei ist uns nicht ganz klar, ob das etwas Gutes oder Schlechtes ist.
Mit einem Frühstück im Hotel begannen wir den zweiten Tag. Der, welcher wahrscheinlich der wichtigste der gesamten Fahrt werden sollte. Nach dem Frühstück ging es mit dem Bus in das Stammlager Auschwitz. Dort erhielten wir eine detaillierte Führung von zwei Guides. Die Führung war ergreifend.
Vor jeder Besichtigung sollten wir unsere Erwartungen in Tagebücher schreiben. In der Theorie ist es leicht, dort zu stehen und sich die ehemaligen Konzentrationslager anzusehen. Hingegen dort zu stehen, wo Millionen eingesperrt, gefoltert und getötet wurden, ist erschütternd. Während wir also den Guides zuhörten und das Lager besichtigen, wurde uns immer mehr klar, was dort passiert ist. Es zu sehen ist schockierend und erschreckend zugleich. Wir wussten, was dort passiert ist. Allerdings dort zu stehen und das Ausmaß des Schreckens zu begreifen, ist etwas völlig anderes.
Besonders in Erinnerung bleibt uns die Ausstellung der Besitztümer der Opfer im Stammlager Ausschwitz. Alles wurde dort ausgestellt. Koffer, Kleidung, Schuhe, Bilder und die Haare der Ermordeten. Und zumeist waren diese noch erhalten. Wir konnten die Namen auf den Koffern lesen und die Schuhe hatten noch ihre Farbe. Ein Paar roter Schuhe stand ganz vorne. An diesen Schuhen war zu erkennen, dass der Verfall dieser Besitztümer noch nicht eingesetzt war. Die Erinnerung an das Trauma der Shoa sollte genauso wenig verfallen, wie diese Schuhe. Denn solange die Erinnerung noch da ist, werden auch die Opfer nicht vergessen.
In Block 11 trafen wir dann auf die Todeswand. An dieser Wand wurden Menschen erschossen. Das zu realisieren war ein schwieriger Prozess, den wir gemeinsam in der Nachbereitung bewältigt haben.
Am Nachmittag fuhren wir nach Auschwitz Birkenau, wo uns der essenzielle Unterschied, der Dimension, der beiden Lager sofort auffiel. Während Birkenau erschreckend groß war, war Ausschwitz doch kleiner als in unserer Vorstellung.
In Erinnerung geblieben ist uns der Unterschied in der Erhaltung der beiden Lager. Birkenau ist deutlich schlechter erhalten, als das Stammlager Ausschwitz, da dort die Restaurationsarbeiten erst in den 1990er Jahren begannen. Dies geschah vor allem in Folge des Films ,,Schindlers Liste“, welchen wir in Vorbereitung auf die Fahrt auch geschaut haben.
Mittwoch begann der Tag wieder mit einem Frühstück im Hotel. Gleich darauf fuhren wir mit dem Bus nach Krakau. Unterwegs besuchten wir die Ruinen vom Lager Plaszow. Wir waren überrascht, das ehemalige Lager in einem zum Großteil überbauten Zustand vorzufinden. Das Lagergelände bestand praktisch aus Park, Wohnhäusern und zur Straße hin aus Geschäften, u.a. Mc Donalds. Auf dem Parkgelände gab es nur spärliche Ruinen. Einige davon waren mit Graffiti angesprüht. Dieser Besuch machte noch einmal den unterschiedlichen Umgang mit den Gedenkorten deutlich. An einer Stelle wird erinnert, an anderer gegessen und gelebt oder in der Sonne gelegen.
Nachdem wir Vormittag unser neues Hotel bezogen haben, besuchten wir nachmittags den Platz der Ghettohelden und das Schindler Museum. Der Platz der Ghettohelden ist heute eine Gedenkstätte, war aber damals das Zentrum des Ghettos. An diesem Platz ist die Apotheke unterm Adler, in der ein christlicher Apotheker gewohnt hat, der viele Juden im Ghetto beschützt hat, indem er falsche Papiere besorgte.
Das Schindler Museum, das wir anschließend besuchen, hat eine neue Art der Ausstellung. Jeder Raum war wie eine der Etappen aus der Zeit, in der das NS - Regime die Macht in Polen übernommen hat. Allerdings war es der letzte Raum, der uns allen in Erinnerung geblieben ist. Er war aufgebaut, als wäre man in einer Kerze und auf den weiß leuchtenden Wänden stand auf Hebräisch Worte, die an die Opfer des NS Regimes in Krakau gedenken.
Abends haben wir dann alle gemeinsam in einem israelischen Lokal gegessen. Es war sehr interessant und lecker die israelisch-orientalische Esskultur auch auf diesem Weg kennenzulernen.
Nach dem Frühstück im neuen Hotel, hatten wir den Rest des Tages Zeit, uns in kleinen Gruppen das alte jüdische Viertel der Stadt Krakow anzusehen und über die Fahrt nachzudenken. Mittags sind wir dann mit dem Bus wieder nach Wunstorf gefahren.
Letzten Endes wollen wir sagen, dass jeder die Gedenkstätten, die wir besucht haben, anders und komplett individuell wahrnimmt. Wir finden es unglaublich wichtig, auch von der Schule aus an eine so grausame Zeit zu erinnern und daraus zu lernen. Zudem ist es eine gute Art zu erinnern, denn eine solche Fahrt bringt uns näher an die Ereignisse als Unterricht es jemals könnte. Wir bedanken uns dafür.
Die Studienfahrt wurde vom evangelischen Schulbund nord und dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge gefördert.